1976 oder 1978 - Die Marantz 7700 Open-Reel Bandmaschine sollte mal das Feinste vom Feinsten werden .....
aber nicht für Tonstudios, sondern für Liebhaber von großen Bandmaschinen. Und laut dem Text aus HOBBY-"Test" 1976 wurden 10 Protoypen im Marantz Entwicklungs-Labor in Japan gebaut und der Welt vorgestellt.
Das Monats-Magazin HOBBY genoss in den frühen Jahren einen exzellenten Ruf bezüglich visionärer Träume, toller Geschichten und Zukunfts-Storys. Im Bereich Hifi-Tests gab es aber leider selten etwas zu loben.
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Griff nach den Sternen
1976 -Marantz baute seine erste Spulenmaschine. Ein Baustein des neuen Top-Programms. Kann sie die Erwartungen erfüllen?
Marantz, das war einmal der Name für edelste HiFi-Ware. Doch in den letzten Jahren bekam das einstmals golden strahlende Namensschild einige matte Flecken.
Schuld daran waren Massenprodukte, wie sie jeder japanische Hersteller auf den Markt warf, und was noch viel fataler war, Preiskämpfe, die dem Namen seinen exklusiven Nimbus nahmen.
Doch rechtzeitig genug erinnerten sich die Marktstrategen der rühmlichen Tradition und stellten zur Funkausstellung in Berlin die ,State of the Art Line" vor: HiFi-Baustem der allerobersten Top-Klasse, dem sogenannten High-End.
Die Spulenmaschine 7700-2
Geradezu sensationell war die Vorstellung der Tonbandmaschine 7700-2 als einer der State-of-the-Art-Bausteme.
Tonbandmaschinen gab es unter dem Namen Marantz bisher nicht, und deshalb waren wir besonders interessiert, ob die Maschine die Vorschußlorbeeren rechtfertigen würde. Die Spulenmaschine wird seit einem Jahr bei HiFi-Fans immer beliebter.
- Anmerkung - daher vermute ich eher 1976 als 1978, denn zu der Zeit waren die 26cm Prozzo-Prozzo Edelstahlkisten von TEAC ud AKAI die Renner.
Einmal sieht sie Klasse aus (Gemeint sind sicher die Großen TEAC Bolden) und zum anderen ist die Tonqualität der Direktschnittplatte ebenbürtig. Deshalb nehmen viele ihre Superplatten auf Band auf und schonen die Scheiben dann im Archiv.
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- Anmerkung : Es wird zwar immer wieder geleugnet, ist aber physikalisch nichts Neues. Die Vinyl-Fans wußten also damals 1976 schon um die Schwächen beim Verschleiß von hochaus- gesteuerten Direct-Cut- LPs.
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Die Marantz 7700-2 hat drei Motoren und Doppel-Capstan-Antrieb. Die drei Geschwindigkeiten - 38, 19 und 9,5 cm/ Sek. - können im Bereich von ±6% verändert werden. Das entspricht einem halben Ton nach oben und unten. Die Laufwerksteuerung erfolgt über Tipptasten mit Druckpunkt und Logikschaltung.
Wirklich Spitzenklasse sind beim Antrieb die extrem kurzen Abbrems- und Umschaltzeiten. Neben der elektronischen Bremse der Motoren ist für jeden Wickelteller zusätzlich eine mechanische Bremse mit Relaisschaltung vorhanden.
Beide Maßnahmen zusammen sorgen für kurze Stoppzeiten bei minimalster Bandbelastung. Die Umspulzeit für eine 26cm-Spule beträgt 130 Sek. Die Gleichlaufschwankungen liegen bei maximal 0,03 % nach DIN. Auf der Antriebsseite also eine Maschine der Spitzenklasse!
Selten - die Aufnahme-Entzerrung auf diverse Bänder einmessen
Doch wie sieht es bei der Elektronik aus? In der 7700-2 ist ein Feature eingebaut, das man bisher nur bei sehr hochwertigen Cassettendecks findet. Die Maschine kann exakt auf die magnetischen Eigenschaften jedes verwendeten Bandmaterials eingemessen werden.
Der Meßoszillator arbeitet mit 400-Hz-und 10-kHz-Testsignalen. Er kann außerdem zum Einmessen der Bandqualität zur Justage der Azimuthanlage, des Aufnahmekopfes - Stellung der Schlitze zum Magnetband - und zum Einpegeln der gesamten Stereoanlage eingesetzt werden.
Bisher wurde bei vielen Tonbandmaschinen die Aussteuerung vernachlässigt. Einfache VU-Meter mit viel zu träger und schleppender Anzeige machten es unmöglich, die optimale Aussteuerung zu finden.
Bei der Marantz-Maschine sind die Aussteuerungsinstrumente in drei Stufen umschaltbar; VU-Meter, Spitzenwert und Speicherung des Spitzenwertes (Peak Hold).
Beide, Meßoszillator und Spitzenwertanzeige, machen es möglich, jedes Bandmaterial bis zur absoluten Grenze auszusteuern, ohne aber schon in den Bereich höheren Klirrfaktors zu kommen.
Zeugnis dieser Aufnahmequalität sind die möglichen Frequenzgänge von 20 Hz bis 37kHz, 29kHz beziehungsweise 17kHz bei den verschiedenen Geschwindigkeiten. Die Abweichung beträgt ±3dB.
Ein Modell ohne Seriennummer
Nicht ganz so absolut perfekt wie Antrieb und Elektronik ist die Mechanik. Dabei muß aber gesagt werden, daß es sich bei dem Testgerät noch um ein Modell ohne Seriennummer handelte. Es war eine von nur (Anmerkung : vermutlich) zehn Maschinen, die in Japan im Entwicklungslabor in Einzelanfertigung gebaut wurden.
Die Maschine steht in einem stabilen Rahmen aus Profilblechen. Die einzelnen Baugruppen sind auf eigenen Chassis unterge- bracht und wie Schubladen in den Rahmen eingeschoben.
Die Laufwerklogik arbeitet mit großdimensionierten Relais, die in der Vorserienversion noch recht laut schalten. Etwas proble- matisch beim Testgerät war auch die Verdrahtung. Einige Anschlüsse von Baugruppe zu Baugruppe sind mit Steckern versehen; andere sind einfach mit Lüsterklemmen verbunden. Aber noch mehr von Hand zeugen kurze Drähte, die von einer zur anderen Baugruppe führen. Ein Ausbau ist nur möglich, wenn diese Verbindungen aufgelötet werden. Andererseits darf man diesen Dingen nicht zu viel Beachtung schenken; immerhin sind sie der Beweis für die sorgfältige Handarbeit der State ofthe Art Line.
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Die großen 26cm Metallspulen
Die Maschine ist auf zwei Spulengrößen umschaltbar, aber die mitgelieferten NAB-Adapter für 26cm Metallspulen sind eine absolute Fehlkonstruktion. Sie mußten beim Test gegen Adapter eines anderen Herstellers ausgetauscht werden. Bisher hat Marantz keine eigenen Metallspulen im Angebot, und das ist aus optischen Gründen bedauerlich.
Aluminiumfarbene Fremdspulen passen nur schlecht zu den champagnerfarbenen Frontplatten. Die Maschine ist ausgelegt für 2-Spur-Betrieb bei Aufnahme und Wiedergabe, kann aber bei der Wiedergabe auf 4-Spur-Betrieb umgeschaltet werden. Als Resümee muß man feststellen: eine Tonbandmaschine der Spitzenklasse!
Die technischen Daten der Marantz 7700-2
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- Geschwindigkeiten 38, 19 und 9,5cm/ Sek., Abweichung max. ±0,1%, Feinregulierung ±6%, Umspulzeit 26cm-Spule 130 Sek.,
- Tonhöhenschwankungen bei 38cm/Sek. 0,03%, bei 19 cm/Sek. 0,04%,
- Frequenzgang ±3dB, bei 38 cm/Sek. 20 Hz bis 37 kHz, bei 19 cm/ Sek. 20 Hz bis 29 kHz, bei 9,5 cm/Sek. 20Hz bis 17 kHz - bezogen auf Maxell UD-35. Geräuschspannungsabstand 66dB,
- Fremdspannungsabstand 58dB - bezogen auf alle Frequenzen,
- Klirrgrad bei 0dB-Aussteuerung 0,4 % bei 38 cm/Sek.
- Übersprechdämpfung 53dB. Eingangsempfindlichkeit Mikro 0,2 mV/ Line 70mV. Ausgangspegel Line 1V oder mehr, Phones 200 mV an 8 Ohm
- Plus: ausgezeichnete Elektronik, zuverlässiger, bandschonender Antrieb, Cue und Edit für Bandschnitt, Meßoszillator, Bandeinmessung
- Minus: laute Schaltgeräusche, schlechte Spurführung, NAB-Adapter, hoher Preis: 3200 Mark
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Text : Peter Lanzendorf - Fotos : Klaus Dieterich
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Nachtrag :
Dieses Marantz-Bandgerät wurde nie ernsthaft in Verkaufs-Stückzahlen produziert und die 10 Protoypen geistern in der Welt der Sammler von Keller zu Keller.
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