Weltkriegs Szenarien und Entstörprobleme
Um das zu erreichen, mußte ein unkonventioneller Antrieb eingebaut werden. Hauptteil war ein Synchronmotor, den Herr Janzen (von Sander & Janzen) unter Klagen, aber mit viel Genialität entwickelt hat. Janzen war ein interessanter Mann. Er hatte seinerzeit einen vielzahnigen Motor gebaut, war nicht besonders firm in Theorie, hatte aber viel Gespür und experimentierte hervorragend. Er machte wunderbare Sachen, die Laboratorien von Großfirmen nicht zustande brachten, unter anderem seine langsam laufenden Schallplattenmotore.
Janzen baute den Motor für den Tonschreiber b mit einer Leistungsaufnahme von etwa 100 Watt. Wir haben dazu einen Generator von 5 Hz bis 150 Hz (echte 20 Hz ... 300 Hz) gebaut, stufenlos einstellbar, nur um die Bandgeschwindigkeit in diesem großen Bereich zu regeln. Der riesige Gegentaktverstärker war mit LS 50 bestückt. Es ließ sich nicht vermeiden, daß hohe Spannungen auftraten. Der Motor stellte (natürlich) eine Induktivität dar, und obwohl wir ihn mit verschiedenen Kondensatoren in Stufen mehrfach abgestimmt haben, so hatten wir doch Spannungsspitzen bis 3000 Volt. Das hieß, die Spulen mußten im Vakuum getränkt werden.
Das war nun während des Kriegs nicht einfach. Diese Geräte störungsfrei zu bekommen, bedingte einen riesigen Aufwand; sie wurden allerdings in großen Stückzahlen gebaut. Dann genügte es aber doch nicht, daß man nur Telegrafie aufnehmen konnte. Weil Sprache eben schon nach einer geringen Verfälschung der Tonhöhe unhörbar (unverständlich?) wurde, war die Frage, wie man verlangsamt Sprache hören könne, ohne daß sich die Tonhöhe ändert. Es war klar, daß die Relativgeschwindigkeit des Abtastens gegenüber dem Band gleichbleiben muß, jedoch muß man irgendwo wiederholt abtasten.
Das führte nach einigen Umwegen auf den rotierenden Hörkopf, den Schüller damals angegeben hat und der nach einigen Anfangsschwierigkeiten auch ganz gut lief. Mechanisch war er ziemlich problematisch (Einwurf: Goldkontakte), denn man mußte die winzigen Hörkopfspannungen in der Größenordnung von Bruchteilen eines Millivolts oder, bei tiefen Frequenzen, gar Mikrovolt mit einem Kollektor (in diesem robusten Heeresgerät) abnehmen und sie dann in einem Verstärkerkasten verarbeiten, indem gleichzeitig eine Spannung von 3000 V im Bereich hörbarer Tonfrequenz für (durch?) den Motorantrieb erzeugt wurden. Das waren die verrücktesten Anforderungen, aber wir waren im Krieg, und dann ging es auch.
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Anfang 1945 - Das Ende rückte immer näher.
Als sich der Krieg allmählich dem Ende näherte, überlegten wir, daß wir nun etwas für zivile Anwendung brauchten. Das mußte in aller Heimlichkeit entwickelt werden, weil das Heereswaffenamt davon nichts wissen durfte. So kam der Blattschreiber f (Ferdinand) - wir verwendeten also die Nomenklatur des Heereswaffenamtes dafür. Wir sagten uns, das Spulentonband sei vielleicht doch nicht das Richtige, es würde gegenüber der Schallplatte niemals konkurrenzfähig sein. Heimanwendung sei auszuschließen, weil jeder Bandriß sehr nachteilig wäre. Wir suchten also einen Tonträger nach dem gleichen Prinzip, aber mit anderer Form: ein Blattschreiber wäre das Rechte. Wir ließen uns dabei von dem Hell-Schreiber inspirieren.
Wir bauten ein Schreibmaschinen ähnliches Gerät mit einer Gummiwalze, und um diese wurde ein DIN A 4-großes "Blatt" Magnetband herumgelegt. Dann hatten wir einen etwa 15 cm langen Schwenkarm. Zuerst waren es vier Schwenkarme, von denen jeder einen 90-Grad-Bogen auf das Blatt schrieb, das sich kontinuierlich langsam vorschob. Wenn der erste Arm nach 90 Grad am rechten Rand war, folgte von links der zweite und so weiter, bis wieder der erste an der Reihe war. So hatte man eine Spiral- <Kreisbogen?>- Linie, aber viermal geschnitten und untereinander gelegt, vielleicht mit einem Zeilenabstand und einer Spurbreite von je einem Millimeter.
Das war aber zu unhandlich, weil das Drehkreuz mit den vier Armen zu groß war. Wir sagten uns, daß ein Arm genügen würde, der aber wie bei der Bildabtastung blitzschnell wieder zurücklaufen und dann die nächste Zeile schreiben müsse. Also langsam vor, schnell zurück - die Schreibgeschwindigkeit lag vielleicht bei 20 cm/s. Damit konnte man gut schreiben. Es war allerdings etwas schwierig, die Zeile wiederzufinden - unangenehme, aber schließlich gelöste mechanische Probleme. Eines dieser Mustergeräte habe ich bei der Verlagerung noch nach Süden geschleppt. Ich habe damals im Labor die Geschwindigkeitsverhältnisse beim vor- und Rücklauf mit einer Amateurfilmkamera ermittelt; dieser Film ist noch heute vorhanden.
Westpfahl: Es war wie bei einer Schreibmaschine, wie Sie richtig sagen. Wir zeichneten bis zum Ende einer Zeile auf, dann rückte die Walze ein Stück weiter, dann schrieb man wieder von rechts nach links weiter, dann rückte es wieder vor, die nächste Zeile - der Arm ging hin und her - darum die Herzscheibe.
Dr. Schiesser: Wir hatten verschiedene Varianten. Die erste war die mit dem Kreuz ausgestattete. Das war dynamisch das Vernünftigste, denn es gab nur eine kontinuierliche Drehbewegung. Da sich diese Lösung aus Raumgründen nicht recht verwirklichen ließ, hat man später andere Lösungen versucht. Zum Tragen gekommen ist keine. Deshalb weiß ich nicht, ob die Ausführung, die Sie erwähnen, weiterverfolgt worden ist. Das waren also unsere Kriegsgeräte, und das, was wir uns für den Frieden reserviert hatten.
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Letzte Versuche mit dem HF Magnetophone
(Fortsetzung Dr. Schiesser) In der Zwischenzeit (Mite 1941) war die RRG - d.h., Dr. Weber - mit dem Hochfrequenzverfahren fündig geworden, das in Firmenkreisen und im Rundfunk Furore machte und sofort als die umfassende Lösung erkannt wurde. Was man an Kapazität von den Wehrmachtsgeräten - allzuviel war das nicht - abzweigen konnte, wurde auf das HF-Magnetophon umgelegt. Ich erinnere mich, daß die ersten Aufnahmen (mit dem HF-Magnetophon) wirklich beeindruckend waren.
Wir haben für die Vorführung (im UFA-Palast am Zoo) Aufnahmen mit Furtwängler in der später zerstörten Berliner Philharmonie gemacht (auf Einwurf: Les Pre'Iudes von Liszt}. Furtwängler war von der Aufnahmequalität begeistert, er ließ sich die Aufnahmen immer und immer wieder vorführen. Er hatte nach nie erlebt, daß man während oder kurz nach der Aufnahme, und mit einer solchen Qualität abhören kann. Dann haben wir mit Heinrich George ... <unverständliche Einwürfe, vermutlich zu "Anekdote aus dem Preußischen Krieg" von Kleist>. Diese Aufnahmen wurden im UFA-Palast vorgeführt.
Es folgt eine Diskussion über Vor- und Nachteile der Wachsplatte; Hinweis darauf, daß es seinerzeit erst wenige HF-Magnetophone gab. - Erwähnung des Philips-Miller-Verfahrens: aufnahmeseitig Nadeltonverfahren, wiedergabeseitig Lichtton. Es sei gegen Anfang des Krieges oder etwas später von der RRG erprobt worden. - Wachs-Platten konnten ohne Verluste nur ein- bis zweimal abgehört werden, wenn sie für Plattenpressungen verwendet werden sollten, da es noch keine leichten Tonabnehmer gab. Bestätigung, daß Wachsplatte den DC-Magnetophon überlegen war.>
Das Hochfrequenz-Magnetophon ist von Anfang an nahezu vollkommen gewesen. Was noch hinzukam, lag auf dem Verstärkergebiet: es ging um die optimale Anpassung des Hörkopfes an die Eingangsstufe, was erhebliche Auswirkungen auf den Geräuschabstand hat. Aber da ging es immer um Verbesserungen jenseits der 60 dB Grenze. Natürlich konnte man das Bandrauschen an schwach ausgesteuerten Stellen noch hören. - Die Wachsplatte war dem Band im Mittel vielleicht gerade ebenbürtig, wenn man eine Wachsplatte sofort (erstmalig?) abspielte. Aber wer konnte schon eine Wachsplatte abspielen? Man konnte das ein-, zweimal mit einem ganz leichten, diffizilen Tonarm machen, dann war das Wachs verdorben. Man mußte also, wenn Furtwängler den gleichen Satz zum dritten Mal abhören wollte, erklären: nein, dreimal geht nicht, sonst können wir von der Wachsplatte nicht mehr pressen.
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