Das Magnetophon nur als Diktiergerät ?
Nach den großen Dingen kam die Kleinarbeit, die nicht so schnell voranging. Viel Arbeit machte damals die Fernsteuerung. Die einzige konkrete Anwendung des Magnetophons wurde damals im Diktiergerät gesehen. Man war noch nicht so vermessen, damit Musik aufnehmen zu wollen, sondern dachte immer an die Anwendung im Büro, als Anrufbeantworter, als rein "technisches" Gerät. Schon kosten und Volumen verboten ja die Anwendung im Haushalt. Deshalb mußte das Gerät für den Bürobetrieb funktionstüchtig gemacht werden. Einerseits war leichte Bedienbarkeit gefordert, denn das Mädchen, das die Diktate abzuschreiben hatte, sollte nur auf einen Knopf drücken; wenn sie nicht mehr mitkam, sollte das Band automatisch um ein paar Sekunden reversieren und den Text mit einer wiederholten Anschlußsilbe fortsetzen.
Auf der Aufnahmeseite gab es nicht nur die Fernsteuerung, die Herr Westpfahl geschildert hat, sondern es war auch möglich, aus dem Telefon aufzunehmen, was viele Verhandlungen mit der Post erforderlich machte. Die Gabelschaltungen in den Telefonen waren nicht ganz für diesen Zweck geeignet. Die Magnetton-Diktieranlage mußte von vielen Stellen nacheinander verwendbar sein können. Es gab vielleicht zehn Steuerstellen für eine Magnetophonmaschine, so daß man von zehn Schreibtischen aus diktieren konnte. Man mußte natürlich sehen können, ob die Maschine frei war, sie mußte blockiert sein, damit nicht ein anderer die Aufzeichnung löschen konnte, die der Vorgänger aufgesprochen hatte, bevor sie abgeschrieben war.
Das Band sollte ununterbrochen laufen
Dann erschien eine Maschine zu wenig. Wenn das Band gewechselt wird, darf keine Unterbrechung entstehen, denn das wäre bei Telefongesprächen nicht zulässig. Es müsse also eine zweite Machine installiert werden. Langsam entstanden ganze Arsenale von Maschinen mit Dutzenden von Steuerstellen, mit Dutzenden von Abschreibstellen. Die Fernsteuerung wurde dadurch recht umfangreich. Damals sah es mit Bauelementen für die Fernsteuerung schlecht aus. Mit Relais waren etwa 50 ms Verzögerung zu erreichen, aber drei Sekunden waren erforderlich, damit kein neues Kommando wirksam wurde, bevor die Maschine zum Stillstand kam. Wir bauten riesige Elkos ein, 1.000 MikroF und mehr, damals so groß wie Zigarrenkisten. Die Fernsteuerung hat uns ziemliche Sorgen gemacht, denn es wurde absolute Betriebssicherheit verlangt. Das Gerät stand irgendwo in einer Telefonzentrale, so daß es die Benutzer nicht sehen konnten und das setzte natürlich ein hohen Grad an Zuverlässigkeit voraus.
Um die Unterbrechung beim Bandwechsel abzukürzen, haben wir versuchsweise Kassetten gebaut, um die Bänder einfach herunternehmen zu können. Das waren Zwei-Spulen-Kassetten von der Größe eines ordentlichen Kuchentabletts, in denen die beiden 1000 m-Spulen aufbewahrt wurden. Man konnte sie als Ganzes auf die Maschine aufsetzen, blitz schnell wechseln, eine zweite aufsetzen - die Entwicklung ist leider nicht zum Tragen gekommen. Die Sachen waren damals viel zu teuer, viel zu groß. Wir sind lange bei unseren Diktiergeräten, der einzigen Anwendung <des Magnetophons> geblieben. Dann kamen Leute mit speziellen Wünschen. Ich erinnere mich an den Herzspezialisten Professor Heweber <Herr Weber?> aus Bad Nauheim. Er wollte Herztöne aufzeichnen, um sie seinen Studenten vorführen und Fortschritte bei Heilungsprozessen festhalten zu können. Wir haben angefangen, normal aufzunehmen und die Maschine langsam wiedergeben zu lassen, dann kam langsam die variable Bandgeschwindigkeit als neue Variante hinein, Schließlich haben wir angefangen, das ultrasonisch zu machen - der Verstärker ging bis 3 Hz herunter.
Jetzt wurden weitere Wünsche formuliert
Das waren einige Sonderanwendungen. Nun ging es in zwei Richtungen weiter. Die eine war: bessere Qualität ohne Rücksicht auf Gewicht, die andere: geringeres Gewicht ohne Rücksicht auf die Qualität. Erstere war die Angelegenheit der RRG, die an der Entwicklung <des Magnetophons> nicht vorbeigehen konnte, weil sie mit dem Stahl-Bandgerät aus Gründen des Gewichtes und des Volumens keine Reportageaufnahmen machen konnte, und weil das Stahl-Drahtgerät qualitativ zu schlecht war. Allerdings hatten wir Mühe, Geräte zu entwickeln, die die Anforderungen der RRG erfüllten. Die RRG war gut eingerichtet, konnte gut messen, wir nur schlecht. RRG hatte nach unserer Ansicht etwas überhöhte Forderungen, die aus ihrer Zusammenarbeit mit der Post stammten. Daher wollte sie das, was eine Leitung konnte, auch mit einem Schallaufzeichnungsgerät erreichen. Das hat uns das Leben ziemlich schwer gemacht.
Als Kompromißlösung kam ein Gerät heraus, das nach meiner Erinnerung mit 38 cm/s lief, jedenfalls hatte es 700m-Spulen. Mit einer Handkurbel wurde ein Federwerk aufgezogen, das die Tonrolle drehte, und mit einer zweiten Handkurbel, die auf die Rückspulachse wirkte, konnte das Band nach der Aufnahme von Hand zurückgekurbelt werden. Anoden- und eine Heizbatterie saßen im Gerät. Damit machte man die ersten Reportageaufnahmen. Die allererste war wohl die mit Casey's <?? - phonetisch: Käsies - ?> Rundfahrt durch die Friedrichstraße, wo wir Entwickler zu Hause entsetzt vor dem Radioapparat saßen und beteten, das Band möge doch ja nicht reißen (weil es damals immer riß). Das war also die eine Entwicklung. Das Tauchspulenmikrofon hatte für kommerzielle Zwecke das Kohlemikrofon abgelöst. Nun kamen wir mit der RRG ein bißchen ins Hintertreffen. Sie war insbesonders in der Verstärkerentwicklung sehr tätig, während sie uns die mechanischen Dinge, die Kopf- und die Bandfrage überließ.
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