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Diese Story basiert auf einer "Betrachtung" ... so um 1958 ...

... jedoch einer sehr kritischen Würdigung. Somit können wir die damaligen Denkweisen und Daten mit den heutigen Erkenntnissen gegenüberstellen und kommentieren.

Die geniale Idee mit dem Heinzelmann

das Original von 1947

Obwohl die Rundfunkgroßindustrie so gut wie tot war, scheute Max Grundig zunächst das Risiko, sich als Rundfunkgeräte-Produduzent zu betätigen. Nach einiger Zeit, so gab er zu bedenken, werde sich die Großindustrie neu etablieren und ihn, den Nachkömmling, sehr schnell ausmanövrieren. Erst als sich der Wuppertaler Großhändler Rüsing vertraglich verpflichtete, nicht nur das Material für den Aufbau einer kleinen Rundfunkproduktion zu liefern, sondern auch die Hälfte der Produktion abzusetzen, war Grundig bereit, einen einfachen Einkreiser für 255 Mark herauszubringen, den ihm ein damals stellungsloser Rundfunkingenieur konstruierte.

 

Die neuen Geräte gingen natürlich gut — es war ja noch Reichsmarkzeit. Aber bald mußte Grundig den freien Verkauf einstellen, da Rundfunkgeräte der Bewirtschaftung unterlagen und nur gegen spärlich erteilte Bezugscheine ausgeliefert werden durften.

 

Da kam Grundig der Einfall, das Gerät in seine Hauptbestandteile zu zerlegen und mit einer genauen Montageanweisung als „Baukasten für Radiobastler" herauszubringen, den Grundigs Schwager, Werbeberater Hermann Jacklowsky, „Heinzelmann" taufte.

 

Die Montage war so einfach, daß auch technisch unbegabte Käufer den Heinzelmann in kurzer Zeit zusammenbasteln konnten; aber in den meisten Fällen nahmen die Händler den Kunden diese Arbeit ab. Sie langten auch unter den Ladentisch, um die Röhren mitzuliefern, die der Heinzelmann- Baukasten nicht enthalten durfte. So sagt Grundigs erster Rohstofflieferant Rüsing: „Ich allein habe Grundig damals 170 000 Röhren besorgt." Und so konnte Grundig die Hürden der Wirtschaftsämter geschickt unterlaufen. Der Heinzelmann war für Grundig das erste große Geschäft. Er verkaufte davon insgesamt 100.000 Stück für rund 22,5 Millionen Mark.

 

Bald war die Hinterhauswerkstatt zu klein, so daß Grundig die Stadtverwaltung in Fürth ersuchte, ihm eine Wiese am Stadtrand zu überlassen, auf der seit Jahrhunderten eine Bitterwasserquelle sprudelte. Von dieser Quelle hatten die Fürther Stadtväter vor dem ersten Weltkrieg gehofft, daß sie Dukaten speien werde, wenn man sie in Trinkhallen und Sanatorien leitete, die man auf der Wiese um den Quell bauen wollte. Fürth sollte Kurstadt werden. Doch das Projekt — das Gelände heißt noch heute Kurgarten — gedieh über den Taufakt nicht hinaus. Medizinische Experten hatten nämlich prophezeit, das gallenbittere Wasser werde jeden Patienten vergraulen.

Wenn auch auf andere Weise als vorgesehen, wurde das Quellengelände schließlich doch noch eine Goldgrube für die Stadt; vor allem aber für Max Grundig, der im Sommer 1947 zusammen mit seinen späteren Direktoren die Gräben für die Fundamente seiner ersten Fabrik — einige große Steinbaracken — aushob. Bis zur Währungsreform wurden in den vier Fabrikbaracken 75 000 Heinzelmänner gebaut, die Grundigs sogenannte Werksvertreter dann im Schnellverfahren umsetzten (also verkauften).

Jetzt war Expansion angesagt

Mittlerweile hatte Grundig nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in anderen Teilen Westdeutschlands wendige Händler, die sich auf dem Schwarzmarkt auskannten, als Werksvertreter installiert. Sie zahlten bei Abnahme der Ware sofort in bar oder kompensierten die Heinzelmänner mit Rohstoffen, so daß Grundig weder Geld- noch Rohstoffsorgen hatte.

 

Diese Anfangserfolge ermutigten den zunächst sehr vorsichtig operierenden Grundig bald zu kühneren Plänen. Sein Mitarbeiterstab war inzwischen auf 150 Männer und Frauen angewachsen. Ingenieure und Hochfrequenztechniker, Experten der Modulation und des guten Klanges, die anderswo keine geeignete Betätigung gefunden hatten, waren ihm zugeströmt

 

Denn die früher in Berlin und Mitteldeutschland ansässigen altrenommierten Firmen wie Telefunken, Blaupunkt, Graetz, Schaub, Loewe und Mende faßten in westdeutschen Ausweichbetrieben nur langsam-Fuß. Grundig nutzte den Vorsprung: Er ließ von seinen Spezialisten einige zugkräftige Gerätetypen entwerfen, die er nach Verkaufsgesichtspunkten („Ich habe lange genug hinter dem Ladentisch gestanden und kenne den Geschmack des Publikums") umfrisierte.

 

Hier kommt zum ersten Mal Max Grundigs eigentliche Stärke zum Vorschein, nämlich sein Instinkt für das, "was die Kunden wünschen".

 

Das eine oder andere Gerät stand für den Tag X der Währungsreform bereit, um weit bescheidenere Kreationen der nachhinkenden Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Dabei kam Grundig sehr zustatten, daß er den X-Tag (20. Juni 1948) schon zehn Tage vor der offiziellen Verkündung kannte. Einer seiner Werksvertreter hatte den Termin von einem Verwandten des späteren sogenannten Vizekanzlers Franz Blücher erfahren. Blücher gehörte damals zum Rat der Drei, der gemeinsam mit alliierten Behörden die Währungsumstellung vorbereitete.

 

Grundig beeilte sich, bereits vor dem 20. Juni seine Lagervorräte zu den Hauptvertriebsstätten zu verfrachten. Wenige Stunden nach Anbruch der D-Mark-Ära verteilten die Werksvertreter Grundigs Apparate auf die Schaufenster der Einzelhändler.

 

Die Mangelware Rundfunkgeräte war so verlockend, daß große Familien schon in der ersten Woche nach dem Währungsschnitt ihre Kopfquoten zusammenlegten und sich als erste größere Neuanschaffung einen Grundig-Apparat leisteten. Bereits am Wochenende erhielt Grundig von seinen Werksvertretern mehrere zigtausend Mark in neuer Währung.

 

Die Kunden interessierten sich besonders für Grundigs 4-Röhren-Super „Weltklang", der nach damaligen Begriffen das erste Gerät war, das sich schon rein äußerlich mit seinem gefälligen hölzernen Gehäuse von den primitiven Kriegs- und Nach-kriegsfabrikaten mit Bakelitgehäuse abhob. Es fand bedeutend mehr Anklang als ein ähnlich leistungsfähiges Gerät, das mehrere alte Firmen gemeinsam herausbrachten: ein Super mit Kunststoffgehäuse. Für zahlungskräftige Kunden frisierte Grundig schon damals seinen Super auf Luxus; für ein wenig mehr Blech und Lack strich er einen Aufpreis von 50 Mark je Gerät ein.

 

Trotz seiner publikumswirksamen Aufmachung erwies sich jedoch nicht jedes Grundig-Gerät als Volltreffer. Eines der ersten fünf Modelle, der Grundig-Typ 268, war ein ausgesprochener Versager. Es hagelte Reklamationen.

 

Wütend riß Grundig in seiner Rundfunkgeräte-Fabrik den Riemen von der Transmissionsscheibe. Dann schloß er den Leiter des Entwicklungslabors Hans Eckstein und die Techniker, die den Fehler verschuldet hatten, in ihre Arbeitszimmer ein und verlangte von ihnen binnen kürzester Frist ein fehlerfreies, pannensicheres Gerät. Um die Techniker bei Kraft und Laune zu halten, ließ Grundig ihnen durch ein Fenster üppige Mahlzeiten reichend wobei er sich allerdings eine seiner Standard-Redensarten nicht verkneifen konnte: „Dös alles von meim Gold." Die Klausur dauerte drei Tage; inzwischen hatten die Techniker den Typ 268 zu Grundigs Zufriedenheit umkonstruiert.

 

Max Grundig wird Groß-Unternehmer

Bald darauf begann jene harte Schlacht, die Max Grundig vorausgeahnt hatte, als seine Starthelfer von der Ruhr ihn damals dazu verleiteten, Rundfunkgeräte-Fabrikant zu werden. Inzwischen war nämlich von den 29 Rundfunkgerätefirmen, die es früher im Großdeutschen Reich gab, ein Dutzend aus dem Demontageschutt neu erstanden.

 

Gleich Grundig hatten sich außerdem 200 neue Fabrikanten in der westdeutschen Rundfunkbranche angesiedelt, darunter passionierte Bastler und Leute mit abenteuerlichen Vorstellungen vom Konkurrenzkampf, der bald in äußerster Schärfe losbrach. Er lichtete die Reihen der Produzenten in den nächsten Jahren derart, daß nur noch 35 übrigblieben.

 

Während das Gros der Nachkömmlinge, aber auch einige alte Firmen pleite gingen, arbeitete sich Grundig bis zur Spitze der Branche vor. Dabei kam ihm sein ausgeklügeltes Vertriebssystem sehr zustatten. Um auch während Absatzstockungen oder bei Fehlfabrikaten kein Risiko eingehen zu müssen, vertrieb Grundig seine gesamte Produktion, wie schon in den Jahren vor 1948, auch weiterhin vorwiegend über sogenannte Werksvertreter, deren Zahl bis 1950 auf zehn anstieg. Jeder dieser zehn Händler mußte sich vertraglich verpflichten, eine bestimmte Quote der laufenden Grundig-Produktion abzunehmen.

 

 

 

  • die Warenlieferungen binnen 30 Tagen (später 45 Tagen) bar zu bezahlen,
  • den größten Teil der Grundig-Werbung in ihren Vertriebsbezirken — einschließlich der meisten Neonreklamen an den Rundfunk-Einzelhandelsgeschäften — zu finanzieren,.
  • Transportfahrzeuge (mit Firmennamen Grundig) und ein Ersatzteillager im Werte von mehr als 100 000 Mark anzuschaffen und zu unterhalten.

 

 

Trotz dieser Vertragsklauseln war das Vertriebsmonopol für die zehn konzessionierten Grundig Monopolisten ein lukratives Geschäft. Der Boß gewährte ihnen etwa 45 Prozent Händlerrabatt, von dem sie allerdings nach eigenem Ermessen einen Teil an die Einzelhändler abgeben mußten, die von ihnen mit Grundig-Empfängern beliefert wurden.

 

Kritisch wurde die Situation jedoch, als der Absatz-Boom nachließ, während Grundig — alles andere als marktkonform — seine Produktion ständig steigerte. Er baute neue Fabrikgebäude um die Bitterwasserquelle, kaufte die beiden Fabriken der alten Nürnberger Radiofirma Lumophon auf und lernte Hunderte von Flüchtlingsfrauen als Hilfsarbeiterinnen für seine moderne Fließbandproduktion an.

 

Da Grundigs Produktion seit dem Vertragsabschluß 1948/49 bis 1951/52 fast um das Sechsfache angestiegen war, mußten Werksvertreter, die zunächst jährlich für zwei Millionen Mark Geräte abgenommen hatten, schließlich für etwa 11 Millionen Mark Ware beziehen. Bald stauten sich die unverkauften Grundig-Geräte vor allem in den Lagern jener Generalvertreter, die sich in der fetten Zeit besonders hohe Quoten ausbedungen hatten. Sie mußten die Ware schließlich an die Einzelhändler verschleudern, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können.

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