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Ein Freund schreibt über einen Freund. Egon Fein für Max Grundig zum 75. Geburtstag.

Die Schatten der Kriegsproduktion Mitte der 1930er Jahre

Geschäftlich freilich wußte er genau, was er tat, und warum: Der ersten Idee mit den Wickelmaschinen folgte bald die zweite. Max Grundig roch zur rechten Zeit, daß die Rohstoffe im Dritten Reich immer knapper wurden. Die Kriegsproduktion warf schon Mitte der 1930er Jahre ihre Schatten voraus, und wenn neue Trafos gebraucht wurden, gab's entweder keine oder man mußte endlos lange warten. Warum also die Trafos bloß reparieren, warum nicht gleich selber neue herstellen? Die Idee!

Neben der weiterlaufenden Reparatur entstanden nun in der Schwabacher Straße aus Blechen, Spulenkernen und Draht neue Transformatoren. Die Fabrikation hatte begonnen. 1938 produzierte der Radio-Vertrieb Fürth des Max Grundig bereits 30.000 Kleintransformatoren. Die erste Million Jahresumsatz war erreicht.
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Auch als Millionär - 14 Jahre in der Moststraße 17

Privat hatte Max Grundig am 3. Dezember desselben Jahres, an seinem Hochzeitstag, in der Moststraße 17, erster Stock, eine hübsche Dreizimmerwohnung gefunden. Dort sollte er 14 Jahre wohnen bleiben, auch als er längst mehrfacher Millionär geworden war.

Die Schattenseiten des Aufbruchs - als der Krieg ausbrach

Produktion und Reparaturen liefen auf Hochtouren, der Verkauf allerdings ging zeitbedingt zurück, als der Krieg 1939 ausbrach. Die Firma Radio-Vertrieb Fürth stand indessen mit zwei weiteren Radiohändlern aus dem Raum Nürnberg-Fürth an der Spitze der von der Wirtschaftsstelle der deutschen Rundfunkindustrie in Berlin W 35 offiziell festgelegten Einzelhändler-Rabatt-Liste.

Aufgrund des jahrelang sehr hohen und noch immer relativ guten Umsatzes wurden Max Grundig am 1. April 1941 36 Prozent Rabattsatz zugebilligt. Kein anderer der 22 Fürther Radiohändler hatte eine gleich hohe Rabatt-Einstufung. Auch beim Rabatt für lose Röhren rangierte Grundigs RVF mit 30% Prozent als einzige Fürther Firma ganz oben in der Rabatt-Skala.
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Max Grundig wurde UK (unabkömmlich) gestellt

Doch wie sollte es weitergehen, nun, da sich alles um den Krieg drehte? Zunächst wurde der Inhaber UK (unabkömmlich) gestellt, weil sein Betrieb als kriegswichtig galt. Jetzt war die Wehrmacht der beste Kunde, sie schickte ihre kaputten Geräte zur Reparatur, ließ alte Transformatoren wickeln, bestellte neue. Die private Kundschaft gab's zwar auch noch, aber sie wurde spärlicher. Die Firma in der Schwabacher Straße hatte zu tun, genügend, sie arbeitete den ganzen Krieg hindurch.

Im Jahr 1941 mußte auch Max Grundig "einrücken"

Aber der Chef überdauerte die Zeit in Fürth nicht mehr allzu lang. Ein mißgelaunter Feldwebel vom Wehrbezirkskommando, der den Max Grundig schon lange im Visier hatte, sorgte dafür, daß der im Jahr 1941 KV (kriegsverwendungsfähig) geschrieben wurde. Zum Glück blieb sein Meister und von nun an auch Betriebsleiter UK und dem Betrieb erhalten. So waren Produktion, Reparatur und Verkauf zu keiner Zeit unterbrochen. Max Grundig aber zog in Bayreuth den grauen Rock an. Er rückte zu einer Nachrichteneinheit des Heeres ein.
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An den Fronten wurde gesiegt - noch ....

Zu Anfang sah das alles noch so aus, als sei das Soldatenleben zwar nicht gerade lustig, aber immerhin erträglich. An den Fronten wurde gesiegt (»Im Osten nehmen die Kämpfe des Heeres, der Luftwaffe und der Kriegsmarine gegen die Sowjet-Wehrmacht einen so günstigen Verlauf, daß große Erfolge zu erwarten sind.«

So der Wehrmachtsbericht vom Mittwoch, 25. Juni 1941), in der Heimat herrschte Zuversicht, die ersten Luftangriffe ließen noch nicht ahnen, was Frauen und Kindern bevorstand (Wehrmachtsbericht vom Samstag, 28. Juni 1941: »Der Feind warf in der letzten Nacht mit schwachen Kräften einzelne Spreng- und Brandbomben im norddeutschen Küstengebiet. Die Zivilbevölkerung hatte nur geringe Verluste.«)

Freilich: Max Grundig wollte weder heroische Feldzüge führen noch Bomben aufs Haupt bekommen. Er nahm das Geschehen zunächst mal hin, ändern konnte man nichts, und schließlich würde es ja mal vorübergehen!
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Rekrut Grundig - Soldat Schwejk in fränkischer Ausgabe

Aber schon bald erkannte der Nachrichtensoldat Grundig, der sich niemals im Leben den Sinn für die Realitäten verstellen ließ, daß dies kein Job für ihn war. Erinnert er sich: »Die haben uns da innerhalb von drei Tagen den Schneid abgekauft. Da wurde immer bloß gebrüllt. Ich wollt' nur noch weg!«

Dieser Wunsch saß so tief in Herz und Hirn des Rekruten Grundig, daß er sich von Stund an in eine Art Soldat Schwejk in fränkischer Ausgabe verwandelte: »Ich hab' halt einfach ein wenig rumgehangen; kräftig war ich ja eh nicht, eher ein wenig schmächtig.«

Beim Gewehr-Exerzieren morgens um sieben, die Kompanie feldmarschmäßig angetreten, bleibt er plötzlich stehen, stellt das Gewehr an die Wand und geht zurück in die Kaserne. Sollen die machen, was sie wollen - ohne mich!

Die Folgen glichen einem mittleren Bombenteppich...

Wenig später: »Alles wieder antreten. Wo ist der Grundig?« Dem Feldwebel schien die Luft wegzubleiben.
»Hier!«
»Los, Stahlhelm auf, Koppel um, zum Kompaniechef!«
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Den ganzen Tag nur Gebrüll und Gebrüll

In diesen bangen Minuten drang das militärische Geschehen nur noch in erhöhter Lautstärke an Max Grundigs Ohr. »Ich war noch nicht ganz drin, da hat schon wieder einer gebrüllt, das war der Spieß.«

Auch der Kompaniechef, Oberleutnant, 28 Jahre, im Zivilleben Dorfschullehrer, äußerte sich nur in ohrenbetäubendem Tonfall. »Ich war fassungslos dagestanden, den Stahlhelm bis auf die Ohren, die Ärmel viel zu lang, dafür die Hosen etwas zu kurz.«

Als dem Kompaniechef die Stimmbänder schmerzten, wurde er plötzlich ganz still, schaute den Schützen Grundig lange an und fragte: »Was sind Sie von Beruf?«

»Ich habe ein Radiogeschäft, Herr Oberleutnant!«

»So, ein Radiogeschäft. Erzählen Sie mir mal ein bißchen davon.«
Auf einmal wurde aus dem Hammermonolog ein Pianodialog.

Auch beim Militär war alles recht merkwürdig

Max Grundig erzählte von seinem Geschäft, und was er da so treibe.
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  • »Haben Sie auch Kleinempfänger?« fragte der Kompaniechef.
  • »Natürlich, Herr Oberleutnant.«
  • »Kann man da einen haben?«
  • »Jawohl, Herr Oberleutnant. Da brauch' ich aber eine Woche Urlaub.«
  • »Sind Sie wahnsinnig, Sie sind erst acht Tage hier, und da wollen Sie schon Urlaub!«
  • »Ich will keinen Urlaub, aber Sie wollen einen Radioapparat.«

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Wie umgepolt begann der Kompaniechef wieder zu brüllen, vielleicht auch nur zur Schau, rief den Spieß, flüsterte mit ihm. Dann das Kommando: »Wegtreten!«
Schütze Grundig hatte keine Ahnung, was mit ihm nach diesem Auftritt geschehen sollte. Er marschierte gottergeben zurück in seine Bude, in der zwölf Mann lagen.

Dort fragte eben der UvD (Unteroffizier vom Dienst): »Wer kann hier Klavier spielen?« Meldete sich ein Rekrut: »Hier. Ich bin Opernsänger.«
»Prima. Dann nehmen Sie Ihre Zahnbürste und machen die Toilette sauber.«

Solche Spielchen gefielen dem Max Grundig genausowenig wie dem betroffenen Opernsänger. Sie bestärkten den uniformierten Radiohändler in seinem Wunsch: Nichts wie weg hier!
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Vom Dienst befreit

Eine Woche lang passierte gar nichts. Dann wieder das bekannte Kommando des Hauptfeldwebels: »Sie sollen zum Kompaniechef!« Also nochmal Jacke an, Koppel um, Stahlhelm, zum Oberleutnant, strammstehen.

»Rühren Sie, nehmen Sie den Stahlhelm ab, setzen Sie sich.«

Diesmal benahm der Herr Oberleutnant sich durchaus kommod. »Wissen Sie was: Sie sind von nun an vom Dienst befreit und kümmern sich um meine Wohnung!«
Schütze Grundig schloß messerscharf und folgerichtig: Der will bloß ein Radio, und jetzt fängt er es diplomatisch an! Er sagte aber nichts, sondern ging in die Wohnung des Kompaniechefs, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad, darüber ein Dachboden. Dort baute der Schütze Grundig sich ein Deckenlager und pennte erst mal.

Auch an den folgenden Tagen verließ er seine gemütliche Behausung nur morgens um fünf zum Wecken, stand stramm beim Morgenappell - um gleich danach zurückzukehren in die Wohnung des Oberleutnants und auf seinen dienstfreien Dachboden.

Nach ein paar Tagen wurde dem Spieß das zu dumm. Er durchschaute zwar das Spiel, konnte aber nichts gegen den Kompaniechef ausrichten, weil der "Ober" nun mal den "Unter" sticht, schickte jedoch den Schützen Grundig ins Krankenrevier.

Ja, was machen denn Sie hier ?

Aber wer residierte dort? Max Grundigs Hausarzt, nun kriegsmäßig mit dem Dienstgrad eines Stabsarztes versehen. »Ja, was machen denn Sie hier?« -» Und Sie.. ??«
Hin und her, und am Ende der Geschichte gerieten sich Stabsarzt und Kompaniechef wegen des Schützen Max Grundig in die Haare: Der eine wollte ihn für seine Wohnung behalten, weil er ein Radio brauchte, der andere gedachte ihn komplett dienstunfähig zu schreiben und der Obhut des Nachrichtenchefs zu entziehen.

Während der Kampf um die Zukunft des Soldaten Grundig noch hin- und herwogte, entwickelte der Fähigkeiten, die der Soldat Schwejk auch nicht besser beherrscht hatte:

Begegnete er einem »höheren Dienstgrad«, grüßte er nicht, wie dies vorgeschrieben war. Frage: »Warum grüßen Sie nicht?« - Antwort: »Ich habe Sie nicht gesehen, Herr Feldwebel!« Daß der so titulierte Herr Vorgesetzte Leutnant war, wußte Schütze Grundig sehr wohl. Beim nächstenmal erschien er zum Appell ohne Mütze. Dann »entlieh« er die Sporen des Kompaniechefs, schnallte sie dem Feldwebel an die Knobelbecher, damit der reiten lernte. Er sah damit aus wie ein verunglückter römischer Gladiator, und als er vergaß, die Dinger beim Appell abzunehmen, fuhr der Oberleutnant ihn an: »Wie kommen Sie zu meinen Sporen?« - »Die hat mir der Grundig gegeben.«

Max Grundig hatte Fettnäpfchen ausgelassen

Der Ofen war aus, die Vorgesetzten verzweifelten. Nun waren sie es, die den »unmöglichen Soldaten« loswerden wollten. Ein Befehl kam ihnen zustatten: Sechs Mann mußten abkommandiert werden zu einer Transportkompanie nach Nürnberg. Als Nummer eins auf der Liste stand der Schütze Max Grundig, der kein Fettnäpfchen ausgelassen hatte, in das er treten konnte...

Von Nürnberg aus konnte er sich - trotz der Ausbildung, die noch drei Monate dauerte - um sein Geschäft in Fürth kümmern. Die Wehrmachtsaufträge hielten den Betrieb in Schwung, denn private Kunden gab's immer weniger. In der Werkstatt wurden Spulen gewickelt, Radios repariert, Transformatoren fabriziert.

Der UK-gestellte Meister und Max Grundigs Schwestern hatten das Geschäft in der Hand, und der Inhaber selbst mischte kräftig mit, organisierte und werkelte, sowie er eine Stunde Zeit hatte und Urlaub von seiner Einheit bekam.

Wieder ein Problem, ab gehts nach Paris

Das Doppelspiel Militär-Geschäft wurde allerdings jäh unterbrochen: Versetzung nach Paris! Alles Fluchen half nichts, der - inzwischen - Gefreite Grundig zog mit Sack und Pack nach Paris zu einer Transporteinheit.

Gegen den Dienst gab's nichts zu sagen. Die Herren Soldaten vom Transportwesen wohnten vornehm im Hotel Ambassador, gleich neben dem Kaufhaus Lafayette. Hotelzimmer, zum Dienst nur über die Straße in ein requiriertes Versicherungsgebäude. Die reinsten Schlips- und Halbschuhsoldaten.

»Organisiert« wurde da nicht schlecht: Bohnenkaffee, Seidenstrümpfe, Kartoffeln gleich doppelzentnerweise, Parfüm.

Und immer noch wurden Erfolge "verkündet"

Die Etappe hielt allerhand aus, und auch an der Front schien der Erfolg noch gepachtet: »An der Kanalküste schossen Jagdflieger am gestrigen Tage ohne eigene Verluste aus einem gemischten britischen Verband, der nach Frankreich einfliegen wollte, zwölf Flugzeuge ab«, meldete der Wehrmachtsbericht vom Montag, 9. November 1942.

Wer sagt's denn: Funktionierten Transportwesen und Logistik, dann hatten die fliegenden Kameraden auch genügend Sprit, um die lästigen Tommies fernzuhalten - noch! Und darin waren die Männer vom Transport schließlich Klasse. Wie gesagt: Es war durchaus auszuhalten, und der Gefreite Grundig schob fleißig und pflichtbewußt Dienst, jede zweite Nacht, dann wieder tagsüber.

Doch der Mann aus Nürnberg-Fürth, der sich sein Lebtag lang den Sinn für Klarheit und Ordnung nicht rauben ließ, strebte zurück in die Heimat. Dort hatte er sein Werk aufgebaut, das war sein Leben, und davon wollte er sich auch mit Gewalt nicht trennen lassen. Denn was immer er in Paris tat, das geschah weder in seinem Willen noch war es nach seinem Geschmack.

Natürlich, der Krieg hatte alles auf den Kopf gestellt, jeder war plötzlich Teil eines Räderwerks geworden, in das er nicht greifen konnte. Trotzdem: Der Gefreite Max Grundig versuchte es .......

General "von Kohl" hörte gern Radio

Sein General hieß "von Kohl", hörte gern Radio und hatte deshalb vom kleinen Gefreiten Grundig, inzwischen zum Obergefreiten befördert, eines organisiert bekommen. Man kannte sich also.

Darum wagte Max Grundig es eines Tages, das hohe Tier zu fragen: »Herr General, ich möchte nach Nürnberg versetzt werden, ist das möglich?«

»Gut, Grundig, ich denke darüber nach, wird schon einen Weg geben. Jetzt gehe ich erst mal 14 Tage in Urlaub.«

Der General war kaum aus dem Haus, schnallte Grundig sein Koppel um und meldete sich bei einem grauhaarigen Oberst, der den General vertrat.

Obergefreiter Grundig stand stramm, grüßte und berichtete zackig: »Herr Oberst, auf Befehl von General von Kohl bin ich zur Transportkommandantur nach Nürnberg versetzt.«

Der Oberst, in seinem Alter gern von dienstlichem Ärger verschont, fragte in seinem Vorzimmer nach: »Stimmt das?«

Dort saß eine Wehrmachtshelferin, die Max Grundig natürlich auch kannte. Die sagte nicht nein, zog sich aber schlau aus der Schlinge: »Wenn's der Grundig sagt, stimmt es schon.«

Das Ding war gelaufen, der Spieß in der Schreibstube ließ die Marschpapiere fertigmachen, der Kompaniechef, der Bataillonskommandeur, sogar der Oberst unterschrieben - ab nach Nürnberg.

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