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Ein Freund schreibt über einen Freund. Egon Fein für Max Grundig zum 75. Geburtstag.
Und jetzt am das Frühjahr 1945 - der 17. April 1945
Die Front stand vor der Haustür, amerikanische Tiefflieger griffen ein Lager der Firma Radio-Vertrieb Fürth in Vach an, schössen es in Brand.
Transformatoren wurden zerstört, aber der Schaden war gering. Max Grundig und seine Leute ließen sich nicht beirren. Auch die ukrainischen Mädchen liefen nicht weg, obwohl sie in diesen Tagen keiner mehr aufgehalten hätte.
Am 15. April 1945 wurden in Dambach, am Fürther Stadtrand, Panzersperren errichtet, einen Tag danach rings um Nürnberg und Fürth Brücken in die Luft gejagt. Auch die Regnitzbrücke bei Vach erwischte es. Um 12.45 Uhr wurde in beiden Städten »Feindalarm« gegeben, amerikanische Truppen stießen von Erlangen und Lauf vor, die Behörden stellten den Dienst ein.
Der Sender Nürnberg schaltete ab, ein amerikanischer Captain forderte den Nürnberger Oberbürgermeister Liebel vergeblich zur Kapitulation auf.
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19. April 1945 - der Krieg war aus
In Geschäften und Lagern wurde geplündert, und der Wehrmachtsbericht meldete noch am 19. April:
»Um Nürnberg wurde den ganzen Tag über von der tapferen Besatzung am Burggraben, in der östlichen Vorstadt und an der Pegnitz heftig gekämpft. Der nach Südosten vordringende Feind wurde aufgefangen und durch Gegenangriffe in der Flanke gefaßt.«
Schon am 17 April allerdings, einem frühsommerlich warmen Tag, rollten die Amerikaner in Vach ein. Sie hatten nicht bemerkt, daß sie »aufgefangen und in der Flanke gefaßt« worden waren. Die Maschinen der Firma Radio-Vertrieb Fürth in der »Linde« und im »Roten Ochsen« wurden abgestellt, der Krieg war aus.
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»Grundig, wer ist Grundig?«
Vor der »Linde« hielt weitere vier Tage später ein Jeep, am Steuer ein farbiger Soldat, neben ihm ein Leutnant.
»Grundig, wer ist Grundig?« Er sprach deutsch, und er hatte einen Zettel in der Hand. Woher er den Namen kannte, wußte niemand. Er kannte ihn jedenfalls, und offenbar noch viel mehr. Ein paar Leute zeigten ihm, wo Max Grundig saß, im ersten Stock der »Linde«.
Der Leutnant kletterte die enge Treppe hinauf, fragte nur: »Sind Sie Grundig? Dann kommen Sie mit. Ziehen Sie Ihr Jackett an.«
Ein paar Arbeiterinnen weinten. Der Leutnant wurde etwas verbindlicher: »Keine Angst, der kommt schon wieder.«
Eine Vernehmung durch einen Vernehmungsoffizier
Der Farbige setzte sich wieder ans Steuer, der Leutnant daneben, Max Grundig auf den Rücksitz. Sie fuhren ins Rathaus der Stadt Fürth.
Im ersten Stock, zweites Zimmer links, saß ein amerikanischer Vernehmungsoffizier. Der hielt sich nicht mit Vorreden auf.
»Sie sind also Grundig?«
»Ja.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Ich habe Trafos gemacht.«
»Ja, wofür denn?«
»Das weiß ich nicht.«
»Stellen Sie sich nicht so blöd an, Sie wissen genau, wofür die waren.«
»Woher soll ich das wissen?«
»Sie haben auch Zünder hergestellt.«
»Natürlich hab' ich auch Zünder hergestellt.«
»Sie wissen doch, daß die für Panzerabwehrwaffen waren. Warum haben Sie das gemacht?«
»Warum sind Sie Soldat?«
»Sie sind unverschämt, ein frecher Kerl. Ab mit Ihnen.«
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Nicht kooperativ - ab in den Knast - für 3 Tage
Zwei Soldaten der MP (Military Police) führten Max Grundig zur Polizeidirektion an der Nürnberger Straße, sperrten ihn ein. Doch alle paar Stunden kamen sie wieder, brachten ihn zurück zum Rathaus, der Vernehmungsoffizier stellte dieselben Fragen, Max Grundig gab dieselben Antworten.
Der Ami wurde langsam sauer: »Das gibt es doch gar nicht! Sie müssen gewußt haben, wofür Sie diese Dinger herstellten. Das kann Ihnen doch nicht verborgen geblieben sein!«
Max Grundig, der natürlich Bescheid gewußt hatte, schüttelte immer wieder den Kopf: »Ich weiß es nicht. Wir haben die Unterlagen gekriegt, und so ein Ding dann herzustellen, ist ja keine Affäre. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.« Max Grundig dachte gar nicht daran, irgendwelche Pläne herauszurücken oder Details zu verraten.
Das ging drei Tage so. Schließlich wurde es dem Offizier zu dumm. Er winkte ab und sagte nur: »Hau ab!« Dann drückte er ihm eine Schachtel Camel in die Hand. Solche Zigaretten hatte Max Grundig bis dahin noch nie gesehen.
Wieder erschien ein farbiger Soldat mit einem Jeep. »Come on!« Max wollte laufen nach Vach, aber darauf ließ der Neger sich nicht ein. Er wies ihm den Beifahrersitz an und lieferte Max Grundig vor der »Linde« in Vach ab.
Mai 1945 - Das Ende - übrig blieb nur ein Haufen Blech und Draht, tote Maschinen und Meßgeräte
Da stand er, Max Grundig, ein Mann von 37 Jahren, ein Unternehmer, der aus dem Nichts und mit nichts einen Betrieb aufgebaut hatte, in dem mehr als 150 Menschen arbeiteten, dessen Vermögen zu dieser Zeit schon auf 17,5 Millionen Reichsmark geschätzt wurde.
Da stand dieser Mann vor einem Haufen Blech und Draht, vor toten Maschinen und Meßgeräten und wußte nicht, ob er dies alles je wieder gebrauchen würde ...
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- Anmerkung : Leider kam aus diesen letzten Sätzen gar nicht klar genug hervor, daß Max Grundig zumindest körperlich unversehrt aus dem verlorenen Krieg herausgekommen war, im Gegensatz zu Millionen anderer Soldaten aller beteiligten Länder, die zwar überlebt hatten, doch teils sehr stark verletzt waren. Das war für ihn und seine Famile ein unschätzbarer Vorteil.
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