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Ein Freund schreibt über einen Freund. Egon Fein für Max Grundig zum 75. Geburtstag.

Die Entwicklung der Mikroelektronik kam schnell wie ein Bazillus

Nun, in den achtziger Jahren, setzte sich verstärkt fort, was die siebziger angezeigt hatten: Zu dem Druck aus Fernost, der den Markt ins Wanken brachte, kam ein tiefgreifender Strukturwandel durch die stürmische Entwicklung der Mikroelektronik.

Dieser Fortschritt forderte Opfer: Arbeitsplätze. Denn Mikroelektronik bedeutete weniger und kleinere Bauteile, kürzere Fertigungszeiten, einfachere Herstellung, mehr Automatik. Manuelle Funktionen wurden überflüssig - und damit viele Menschen.

Die technische Revolution fraß ihre Kinder genauso auf, wie die politischen Revolutionen dies schon immer getan hatten. Der goldene Teufel Technik hatte uns ein Bein gestellt. Ein Segen, der den Fluch in sich trug. Vor 150 Jahren war es die Dampfmaschine, jetzt sollte es die Mikroelektronik sein, die einen Wandel einleitete, dessen Folgen noch wenige absehen konnten.

Gewiß, volkswirtschaftlich mag die Mikroelektronik noch ungeahnte Verbesserungen bringen und in vielen Branchen neue Arbeitsplätze schaffen. In der Unterhaltungs-Elektronik aber würde sie wie ein Bazillus sein.
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Und die Japaner hatten keinen Kummer ???

Warum die Japaner damit keinen Kummer hatten? Weil ihre Industrie jünger ist, vor noch nicht allzu langer Zeit erst aufgebaut und mit der neuen Technologie erwachsen geworden. Ihre Gleise waren nicht eingefahren.

Europas Fabriken hingegen, obendrein von Kostensteigerungen und hohen Soziallasten gebeutelt, mußten sich erst umstellen, obgleich - Ironie der Technik - die Vorläufer dieser Entwicklung, elektronische Großrechenanlagen (von Konrad Zuse), in Deutschland erfunden und exportiert worden waren.

Niedriges Lohnniveau, unbeschwerter Umgang mit Arbeitsplätzen (»hire and fire«, sagen die Amis), keine Lohnnebenkosten wegen eines fehlenden sozialen Netzes und ihre Genügsamkeit geben den Japanern weitere Vorteile.
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  • Anmerkung : Das stimmt so leider gar nicht und es ist hier grundlegend falsch dargestellt. Gerade in Japan war der Umgang mit Arbeitsplätzen quasi auf Lebenszeit kuturell festgeschrieben.
    Wer einmal eingestellt wurde, hatte seinen Arbeitsplatz auf Lebenszeit. Das wurde erst nach 1990, als Japan ganz ganz dicht am Staatsbankrott vorbei schlidderte, aufgeweicht und laut asiatischen Wirtschaftzeitungen machten deshalb über 6.000 japanische Klein-Unternehmer Selbstmord, (Nachtrag : Laut Kosei Wada waren es über 30.000 Suizide) weil sie das kulturell und moralisch nicht verkrafteten, ganz junge und auch sehr alte Mitarbeiter notgedrungen entlassen zu müssen. Wir sind hier aber erst in 1983 !! In Japan stieg der Verkaufs-Druck ab jetzt ins Ungeheuerliche.

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Würden uns die Japaner widerstandslos überrollen können ?

Würde diese Entwicklung die bundesdeutsche, die europäische Unterhaltungs-Elektronik überrollen, sie gänzlich verzehren? Ein Problem wie ein glühendes Eisen, das niemand anfassen wollte. Max Grundig tat es. Von schwerer Krankheit noch nicht genesen, dem Skalpell entronnen, nahm er die Herausforderung an.

Er krempelte auch mit 72 nochmals die Ärmel hoch, begann erst sein Unternehmen den neuen Anforderungen anzupassen und dann nach einem gemeinsamen Ausweg aus der Misere zu suchen.

Die Vorstellung : ein europäisches Gegengewicht schaffen

Dieser Ausweg hieß EURO (Anmerkung : Von der Gemeinschaftswährung träumten in Europa zu der Zeit von 1980 nur ein paar visionäre "Spinner".), zu deutsch: Eine Einheitsfront der Europäischen Unterhaltungselektronik gegen die Japaner.

Einen produktionsstarken Europa-Pool mit hohen Kapazitäten und einem gemeinsamen Vertriebssystem, um verlorenes Terrain zurückzugewinnen und der japanischen Konkurrenz wieder den Marktanteil zuzuweisen, der einem gesunden Gleichgewicht entspricht. Kurz: Einen europäischen Verbund, um zu überleben.

So konnte Europas Unterhaltungselektronik vor einem ähnlich traurigen Abgesang verschont bleiben, mit dem die weltweite Foto-Industrie im Orkus verschwunden ist.

So waren gefährdete Arbeitsplätze zu retten, an deren Existenz allein schon die technologische Entwicklung gefährlich nagte und die Max Grundig Anfang der achtziger Jahre zwang, elf Werke (von insgesamt 23) zu schließen und seine erst in den Jahren zuvor, als andere längst Massenentlassungen aussprachen, frisch aufgestockte Belegschaft von 35.000 wieder auf 27.000 Menschen zurückzunehmen.
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Es war richtig: »Video 2000« war dem VHS überlegen

So würde das technisch hochwertige Grundig-Philips-System »Video 2000« mit seinen Spitzengeräten »2x4 Super« und »2x4 Stereo«, den Japanern weit überlegen, mit den nötigen Seriengrößen auf dem Markt durchzusetzen sein.
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  • Anmerkung : Leider hatten die hochgelobten und technisch ganz sicher überlegenen Grundig Videorecorder einen mechanischen Systemfehler (mit dem ausgasenden Schmierfett) und fielen nach kurzer Zeit fast alle aus. Und nach Bekanntwerden dieser Macke warfen die Händler diese ihr Image zerstörenden Problemgeräte schnellstens aus dem Programm und damit brach der VCR und Video2000 Recorder-Umsatz total ein. Manche kündigten sogar alle Grundg Geräte einfach ab. Das war auch mit Hifi- und Fernsehgeräten nicht zu kompensieren, die inzwischen auch einige kleine Macken aufzeigten.

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Weiter geht es in den Wunschtäumen der Grundig Planer:
Und so würden Umsatz (1980: 2,734 Milliarden DM, 1981: 2,758 Milliarden DM) und Exportanteil (1980: 51,8 Prozent, 1981: 54,6 Prozent) weiter steigen können, Voraussetzung dafür, dem Unternehmen und seinen Beschäftigten die Zukunft zu sichern.
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Wie sah dieses EUROKonzept des Max Grundig aus?

Dazu ist es notwendig, erstmal Ursache und Wirkung des fernöstlichen Ansturms zu verstehen.

Der Japaner lebt auch im 20 Jahrhundert ganz seiner Tradition. Trotz der Rebellion der Jugend, den Versuchen, das System von unten umzukrempeln, hat sich oben an der Spitze nichts geändert. Gewisse Strukturen haben die Jahrhunderte überdauert. Das Ordnungsprinzip heißt: Kaiser, Fürsten, Samurais. Mit dem Unterschied, daß die »Fürsten« heute Konzerne beherrschen und die »Samurais« die Konzerne managen.

Max Grundig besuchte in Osaka den greisen japanischen Unternehmer Matsushita, einen 88jährigen Souverän, der sein Industrie-Imperium unumstritten beherrscht. Er führte seinen Besucher in einen abgeschiedenen Raum, der aussah wie ein Heiligenschrein. An den Wänden hingen Bilder der Regenten von der aufgehenden Sonne, in der Mitte ein Porträt des Kaisers, darunter ein großer roter Lehnsessel.

»Hier hat unser Kaiser gesessen!« sagte Matsushita zu Max Grundig, und der mußte sich auch in den Sessel setzen, ein Fotograf knipste. Das war die höchste Ehre, die einem Gast zuteil werden kann.

Dann eine Visite bei einem japanischen Chefkonstrukteur

Ein paar Tage später: Visite beim Chefkonstrukteur eines Elektrokonzerns im noblen Gästehaus seiner Firma in Tokio. Dort bewohnt der Mann ein kleines, bescheidenes Zimmer, Schreibtisch, Schrank, ein paar Stühle. Abends legt er eine Reismatte auf den Boden, einen Kopfkeil obendrauf. Hier schläft er, sein Büro immer in der Nähe.

»Wann kommen Sie denn mal nach Hause?« fragte Max Grundig.

»Ach, wissen Sie, meine Familie lebt drei Autostunden entfernt. Am Sonntag besuche ich sie, meine Frau, zwei Söhne und eine Tochter. Wir sehen uns dann für ein paar Stunden, Sonntagnacht muß ich zurück, denn Montagfrüh um sieben fangen wir wieder an. Im Jahr habe ich drei, vier Tage Urlaub.«

Japanischer Manager des 20. Jahrhunderts. Sein Leben funktioniert. Wenn er nach Hause kommt, verbeugen Frau und Kinder sich vor ihm, und sie sind zufrieden, denn ihr Vater ist ja hauptsächlich dazu da, sich Gedanken über die Technologie der nächsten zehn Jahre zu machen.

Noch rigoroser war es bei den japanischen Arbeitern

Genauso zufrieden ist die Familie eines japanischen Arbeiters, dessen Töchter arbeiten gehen, damit der Sohn studieren kann. Der Arbeiter weiß nicht, was ein »soziales Netz« ist. Er bekommt seinen Lohn, aber die meisten unserer sozialen Leistungen, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, Pensionsleistungen des Betriebs, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Krankenversicherung, 30 Tage bezahlten Urlaub nebst zusätzlichem Urlaubsgeld, Weihnachtsgratifikation, Kindergeld, Mutterschutz, Ausbildungsförderung - all dies kennt er nicht.

Und das sind die krassen Unterschiede

Die Folge: Sein Arbeitgeber kann billiger produzieren als der Konkurrent
im Westen
, er unterbietet dessen Preise - freilich auf Kosten der sozialen Sicherheit seiner Arbeiter. Dazu kommen die - schon erwähnte - Automatisierung, die keine Rücksicht auf Arbeitsplätze nimmt, (das stimmt so nicht), und versteckte staatliche Subventionen. (das stimmt leider) Diese drei Faktoren gemeinsam ermöglichen es der japanischen Wirtschaft, wie gesagt, riesige Stückzahlen zu niedrigen Preisen auf den Weltmarkt zu werfen.

  • Anmerkung : Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Wenn in Japan 5 Ingenieure ein Gerät entwickelt hatten (so war es laut Akio Morita bei SONY), bekamen zwei andere weitere Ingenieure den durchaus honorigen und nicht bösartigen Auftrag, dieses Gerät mit allen Funktionen tüchtig zu optimieren, ohne daß sofort ein Kollegen-Krieg mit den fünf anderen Ingenieuren ausbrach. Das war hier in Deutschland einfach unmöglich, siehe meine trauruge Geschichte von dem Telefunken TP 1005 Bildplattenspieler und auch Wolfgang Hasselbachs Zeitzeugenberichte von dem halbfertigen BRAUN Regie 500 Receiver.


Überkapazitäten werden geschaffen, und das Produkt spielt dabei keine Rolle: Erst Kameras, Autos und Maschinen, dann Radios und Fernsehapparate, schließlich Videogeräte.
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  • Anmerkung : Richtig erkannt - aber eine völlig falsche Schlußfolgerung gezogen. Bei PIONEER in Japan wollten 350.000 Mitarbeiter Arbeit haben und ihren Lohn erarbeiten - eigentlich wie bei uns auch. Nur stimmten die Dimensionen nicht mehr. Grundig hatte in der Hoch-Zeit (nur) etwa 33.000 Mitarbeiter. Japan war zu über 85% vom Export nach USA abhängig, wir hier nicht.

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