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Ein Freund schreibt über einen Freund. Egon Fein für Max Grundig zum 75. Geburtstag.
35.000 Beschäftigte und Erfolge über Erfolge
Erst im abgelaufenen Jahr waren 3.000 neue hinzugekommen. Wer sonst sollte 31 Werke, neun Niederlassungen mit 20 Filialen und drei Werksvertretungen, acht Vertriebsgesellschaften und 200 Exportvertretungen in allen Ecken dieser Erde im Griff behalten?
Sechzig Millionen Geräte hatte er seit Kriegsende hergestellt, bei Farbfernsehern einen Marktanteil von 25 Prozent, bei Stereo-Anlagen 20 Prozent erobert, und damit war er der unbestrittene Branchenführer geworden. Sein Umsatz hatte 2,75 Milliarden DM erreicht und näherte sich rasch der 3-Milliarden-Grenze, seit 1972 eine Steigerung um 80 Prozent - in den unsicheren siebziger Jahren, wohlgemerkt, da andere in Wehklagen verfielen.
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Max Grundig hat beschlossen, nicht krank zu sein !
Nein, nein, da gehörte ein Max Grundig an seinen Schreibtisch und nicht auf Operationstische. Seine Techniker und Arbeiter im Werk standen ihm näher als Weißkittel in Kliniken.
Elektronik war eine Sache, Medizin eine andere. So beschloß Max Grundig, geheilt zu sein. Ein folgenschwerer Irrtum, wie sich ein Jahr später herausstellen sollte.
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Einmalig in Franken - die »Grundig-Akademie«
Zunächst freilich, im Mai 1978, brütete er eine neue Idee aus, die »Grundig-Akademie für Wirtschaft und Technik«, und er spendete 30 Millionen DM dafür.
Hier, in einem eigens dafür erbauten Gebäude in Langwasser, sollten »Fach- und Führungskräfte, Ausbilder sowie begabte Nachwuchskräfte und Mitarbeiter durch Fortbildung gefördert, das berufliche Wissen von Führungskräften auf europäische und weltweite Notwendigkeiten ausgerichtet, begabten Mitarbeitern nach Ausbildung und Bewährung durch Stipendien die Chance gegeben werden, ein Universitäts-, Hoch- oder Fachschulstudium zu absolvieren und abzuschließen sowie Kontakte zu allen Institutionen hergestellt werden, die sich die geistige und berufliche Fortbildung der im Wirtschaftsleben Tätigen zum Ziel gesetzt haben.« Qualifizierte Facharbeiter konnten in der Akademie über den zweiten Bildungsweg zum Ingenieur ausgebildet werden.
Dieses Geburtstagsgeschenk des Chefs an den Nachwuchs seiner Firma sollte sich schon in den folgenden Jahren als eine segensreiche Einrichtung erweisen. Die Kurse waren vom ersten Tag an voll ausgebucht. Max Grundig selbst übernahm das Präsidium des Kuratoriums der Akademie, Direktor Rolf Heinlein wurde zum Vorstand berufen.
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Ich bestimme, daß der Gewinn in die Firma investiert wird.
Was Wunder, wenn Grundig im Mai 1978 dem »Spiegel« in einem Interview über die Ursachen seines Erfolges auf die Frage antwortete, warum er als einziger Großunternehmer der Gründergeneration übriggeblieben sei: »Ein wesentlicher Grund unseres Erfolges ist, daß seit 40 Jahren jeder Pfennig, den diese Firma erwirtschaftet, wieder in die Firma investiert wird. Wir konnten uns teure Entwicklungsarbeit leisten, weil wir keine Dividende und keine Kapitalzinsen an die Bank zu zahlen haben. Und außerdem: Vielleicht habe ich mit meinem Vermögen besser gehaushaltet und härter gearbeitet.«
Hat er, und wenn er nun 30 Millionen für seine Akademie spendierte, dann war dies auch nichts anderes als eine Investition in sein Unternehmen. Eine Investition in die Zukunft.
Die supertolle Villa mit Meeresrauschen war nix.
Seine private Investition in Cap Martin, die Villa Soulico, hatte ihm indessen, sofern überhaupt Zeit zu einem kurzen Abstecher geblieben war, manche Stunde Schlaf geraubt. Weil die Wellen nach wie vor ans Gemäuer rauschten, konnte es sich hier auf Dauer nicht um einen Ort der Ruhe und Abgeschiedenheit handeln.
Aber Besserung war schon in Sicht, und wie der Zufall die Villa Soulico gebracht hatte, so verhalf ein anderer Zufall dazu, sie wieder loszuwerden. Man mußte nur ein bißchen nachhelfen ...
Da gab es nebenan noch eine Villa, aber total verrottet
Bei einem Spaziergang entdeckte Max Grundig unweit seiner lärmenden Wellenburg, ebenfalls in Cap Martin, am Rand der Ortschaft Roquebrune, ein wunderschönes Grundstück mit einer völlig verfallenen Villa. Sie hatte dem amerikanischen Nähmaschinen-König Singer gehört, vor hundert Jahren inmitten
einer paradiesischen Urwelt dort angelegt, und da war nun nichts mehr als eine bedauernswerte Ruine davon übriggeblieben.
»Schau dir das an«, sagte er sich, »das war doch wirklich ein schönes Stück Land. Wenn man das Haus wieder aufbauen könnte...«
Spricht ein Max Grundig so im Konjunktiv, dann hat er sich den Gedanken auch schon in den Kopf gesetzt, und wer ihn kennt, der weiß, daß er nur schwer wieder davon abzubringen ist.
Es blieb also nicht bei dem Lippenbekenntnis, sich »das mal anzuschauen«, er sah sich das Wrack von einer Villa wenig später leibhaftig und sehr intensiv an. Das Ergebnis dieser Visitation war niederschmetternd, denn wie es drinnen aussah, das ließ sich bei allen Befürchtungen von draußen nur ahnen:
Fenster und Türen gab's nicht mehr, Parkett-Fußböden Fehlanzeige, die Wände zerschunden wie der Kugelfang auf einem Schießplatz, wertvolle Marmorsäulen und Fresken mit scheußlich knallgelber Farbe übertüncht, der Swimmingpool, einst ein kleiner See, auf dem die Damen Singer um die Jahrhundertwende zu rudern pflegten, jetzt eine Fallgrube.
Auch dafür fand Max Grundig eine Lösung : kaufen
Der große Hammer aber kam erst noch: Das märchenhaft schöne Grundstück, etwa 100.000 qm groß, war einem Spekulanten in die Hände gefallen, der sich diese nun in einem riesigen Rebbach gesund zu waschen gedachte. Hier, ausgerechnet in der verträumten Abgeschiedenheit dieser Halbinsel, wollte er häßliche Hochhäuser und lärmende Vergnügungszentren bauen.
Diese Eröffnung machte das Maß voll, jetzt ließ Max Grundig sich durch nichts mehr aufhalten: Bevor der Singer-Märchenhimmel zur Spielhölle verunstaltet wurde, konnte er dem Immobilienhai in einem fintenreichen Verhandlungsmarathon den Grund entreißen und seinen Plänen freien Lauf lassen.
Kurz darauf rückte eine Kompanie Bauarbeiter an, Maurer, Zimmerer, Maler, Schlosser, Rohrverleger, Dachdecker. Bagger, Schaufel, Hacke, Hammer, Säge, Hobel, Lack und Pinsel beherrschten die Szene, und ein Jahr später war Max Grundigs ersehntes Asyl in Roquebrune-Cap Martin an der Cote d'Azur fix und fertig. Ein Traum von einem Besitz, genannt Les Zoraides.
Und dann holte ihn die Wirklichkeit wieder ein, die Krankheit
Er sollte diesen schönen Traum bald sehr nötig haben, denn die häßliche Wirklichkeit holte ihn ein: Seine mit bewundernswerter Energie verdrängte Krankheit hatte ihn wieder, und nun gab es kein Ausweichen mehr, mit Halbheiten war jetzt nicht mehr zu helfen.
Im April 1979 wurde Max Grundig in der Münchner Klinik »Rechts der Isar« von einem Ärzteteam unter der Leitung der Professoren Dr. Hipp und Dr. Dietze operiert, das rechte Kniegelenk entfernt. Um das Bein zu retten, mußten die verbliebenen Knochen von Ober- und Unterschenkel miteinander verbunden
werden. Dazu war eine sieben Kilo schwere Eisenklammer vonnöten, die der »eiserne Max« fast drei Monate lang erduldete, unbeweglich wie eine Mumie im Bett liegend.
Max im Rollstuhl - im Juli 1979
Kaum von diesem Folterwerkzeug befreit, Ende Juli 1979, ließ er sein Krankenbett leer und verzweifelte Ärzte zurück, stieg um in einen Rollstuhl - und begab sich an die Arbeit.
In diesem Rollstuhl erschien er lächelnd auf der Berliner Funkausstellung, als sei nichts gewesen, und unterschrieb am 5. September 1979 in seinem Hotel Schloß Fuschl am Fuschlsee einen Kooperationsvertrag (auch »Überkreuzvertrag« genannt) mit dem niederländischen Elektronik-Giganten Philips.
Der Vertrag mit Philips - im Sept. 1979
Dieser Vertrag war ein Meilenstein im Leben des Großindustriellen Max Grundig. Er wollte damit beweisen, daß er nichts hielt von nationaler Eigenbrötelei, aber sehr viel von der Zusammenarbeit mit einem gleichgesinnten Partner, dessen Produktion sich mit der seinen ergänzte. Schließlich hatten Grundig und Philips gemeinsam »Video 2000« entwickelt. Nun kam es zu einem Kapitalaustausch beider Firmen, wobei jeder seine Eigenständigkeit bewahrte. Zu deutsch: Philips beteiligte sich mit 24,5 Prozent an Grundig, und Grundig mit 6 Prozent an Philips.
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- Anmerkung : Das ist die eine (Publissity wirksame) Seite der Medallie. Die Banker hatten da ganz andere Prämissen, denn auch der Grundig Konzern war von der Rentabilität her tief in die roten Zahlen gerutscht und alleine hätte Max Grundig keine 100 Millionen kontokorrend Limmits mehr erhalten. Es musste quasi fusionieren bzw. man hatte es ihm nahegelgt. Das kam aber erst Jahre später ans Licht.
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Seine Krankheit machte unaufhaltsam weiter
Niemand sah dem Konzern-Kapitän an, daß er diesen für die Zukunft seines Werkes so wichtigen Vertrag unter großen Schmerzen gegenzeichnete. Seine Krankheit war noch immer nicht besiegt. Die Operation hatte zwar sein Bein gerettet, aber die bösartigen Folgen nicht restlos beseitigt.
Die Diagnose war hiermit offensichtlich "Krebs" - Während das Bein längst nicht verheilt war, tauchte an den Lymphdrüsen der rechten Leiste die Krankheit von neuem auf, diesmal noch schmerzhafter. Am 19. Oktober 1979 operierten die Ärzte in München ein zweites Mal.
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Und schon wurden wilde Gerüchte lanciert
Als auch dieser Eingriff vorüber war, sagte der Patient: »Ich glaub', jetzt kann ich überhaupt nie mehr gehen.«
Das hatten wohl auch einige Konkurrenten angenommen, die ihn mehr fürchteten als liebten; für manche schien die Wiese schon gemäht, denn ohne »den Alten« würde das Branchen-Flaggschiff in Fürth sicher führerlos treiben.
Wer um Max Grundigs Zähigkeit wußte, dem war klar, daß dies ein Irrtum sein mußte. Eine fränkische Eiche fällt man nicht so schnell, und schon der Gedanke daran kann ein böser Trugschluß sein...
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