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Ein Freund schreibt über einen Freund. Egon Fein für Max Grundig zum 75. Geburtstag.
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Kapitel 4 (aus obigem Buch) - - Erinnerungen
Wirre Zeiten und die Nürnberger Prozesse
Im Oktober, als in Fürth die Heinzelmann-Produktion anlief, wurden in Nürnberg die Urteile der NS-Kriegsverbrecher-Prozesse verkündet und am 16. Oktober die zwölf Hauptangeklagten hingerichtet.
Weiterhin lief im Fürther Weltspiegel der Charlie-Chaplin-Film Goldrausch, spielte das Fürther Stadttheater den Barbier von Sevilla, streifte ein Kometenschwanz die Erde und wurde die berühmte Fürther Kirchweih, die erste nach dem Krieg, in bescheidener Form mit nur einem (Dünn-) Bierzelt der Grüner Brauerei gefeiert.
Die Menschen hatten noch Bitteres durchzumachen, die Sorgen waren drückend, das Land noch lange nicht über den Berg. Deshalb war es gerade zu dieser Zeit wichtig, daß die Wirtschaft, wenn auch ganz langsam, sich zu regen begann und wieder für Arbeit sorgte. Die noch bescheidene Firma in der Fürther Jakobinenstraße 24 trug ihr Teil dazu bei.
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Und es gab wieder ein funktionierendes Finanzamt
Das Finanzamt Fürth freute sich ebenso über die Existenz dieses Betriebs wie das Arbeitsamt. Max Grundig wurde zum Dauerkunden, er hatte, dank seiner unternehmerischen Initiative, Arbeitsplätze anzubieten, die dringend gesucht wurden; er stellte Männer und Frauen ein, Facharbeiter und Ungelernte, sein einstiger Hauptmann beim Militär fand Unterschlupf als Portier, ein außer Dienst gestellter Landgerichtsdirektor wurde Rechtsberater.
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Beinahe wäre alles abgebrannt
Beinahe wäre die ganze Pracht über Nacht flöten gegangen. Am 12. November 1946 brach in einem Lagerschuppen der ehemaligen Spiel- und Metallwarenfabrik der Firma Götz & Sohn auf dem Grundstück Jakobinenstraße 24, unmittelbar neben den Räumen des RVF, ein Großfeuer aus. Nur mit Mühe konnten Feuerwehrmänner die Flammen eindämmen, der Betrieb Max Grundigs kam noch einmal davon.
Die Räder, die 1946 in Schwung gekommen waren, bekamen 1947 mehr und mehr Fahrt. Was bisher zumeist nur branchenkundig gewesen war oder sich vor Ort herumgesprochen hatte, genügend freilich, um die gesamte Produktion ohne Rückstände aufzunehmen, das wurde jetzt den potentiellen Kunden von Flensburg bis Berchtesgaden bekannt gemacht. Zwar lag schon Ende 1946 eine ausführliche 10seitige Bauanleitung für den Heinzelmann vor, doch auch sie kam erst Anfang 1947 an den Kunden, da die Baukästen ab 1947 offiziell ausgeliefert wurden.
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Die Funkschau, eine Radio Zeitschrift für ganz Deutschland
Im Januarheft 1947 der führenden Fachzeitschrift Funkschau machte "Chefredakteur" Werner Diefenbach (er war ein Fachredakteur und redigierte die Artikel) seine Leser in einem ganzseitigen Artikel mit dem Heinzelmann bekannt:
Wir führen vor: RVF-Rundfunk-Baukasten Heinzelmann W. Mit der Herstellung des Rundfunk-Baukastens Heinzelmann W beschreitet die Firma RVF, Fürth, einen für die Rundfunktechnik neuen, erfolgreichen Weg. Dadurch, daß sämtliche zum Aufbau benötigten Teile einschließlich Skala, Gehäuse und Lautsprecher in Baukastenform geliefert werden, bleiben dem Kunden die bisherigen beim Aufbau eines Gerätes auftretenden konstruktiven Schwierigkeiten erspart.
Abgesehen davon ist es im Zeitpunkt der Materialknappheit von großem Vorteil, sämtliche zum Aufbau benötigten Teile einschließlich Schaltdraht, Netzanschlußschnur mit Stecker, Befestigungsschrauben, Zwischenlagenscheiben und Muttern, Befestigungswinkel und Chassisteile zu erhalten, deren Beschaffung im Einzelfalle nur in seltensten Fällen möglich sein dürfte.
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- Anmerkung : Manche Erinnerung ist schwach, weil es so lange her ist. Die Funk-Technik mit Chefredakteur Karl Tetzner war zu der frühen Zeit vor 1953 weitaus bedeutender als die Funkschau, die erst nach dem Wechsel von Karl Tetzner hin zur Funkschau die Funktechnik als führende Publikation ablöste.
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In derselben Ausgabe der Funkschau erschien die Firma RVF noch zweimal, erst unter der Rubrik "Neue funktechnische Anschriften", dann in einer Anzeige, die das derzeitige Fabrikationsprogramm bekannt machte:
Tubatest II, Röhrenprüfgerät für sämtliche in- und ausländischen Röhren.. ., RM 380, Novatest, das universale Fehlersuchgerät für Werkstatt und Laboratorium.., RM 435. Lieferzeit: unverbindlich ca. 4 bis 6 Monate. In Vorbereitung: Heinzelmann. Rundfunk-Baukasten für Wechsel- und Allstrom, lieferbar voraussichtlich März 1947.
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Ein richtiger Bausatz von Profis gemacht.
Die zitierte Bauanleitung, die erste für ein Radiogerät aus der Firma des Max Grundig, galt für die Wechselstromausführung (120/220 Volt) und erklärte, daß 12 mechanische und 27 elektrische Bauteile die wesentlichen Bestandteile des RVF- Rundfunkbaukastens seien. In demselben ist alles so weitgehend durchdacht und vorbereitet, daß jedermann ohne technische Kenntnisse ein hochwertiges Rundfunkgerät selbst zusammenbasteln kann. Zu dem Problem der Röhrenbestückung hieß es wörtlich:
Für das Gerät sind nur zwei Empfangsröhren erforderlich, die im Baukasten nicht enthalten sind. Bedingt jedoch durch die Vielzahl der verwendbaren Röhren wird Ihr Rundfunkhändler in der Lage sein - und er hat die freiwillige Verpflichtung hierzu durch den Verkauf des RVF-Bau-kastens übernommen - dieselben aus vorhandenen Beständen mitzuliefern. Statt einer Gleichrichterröhre wird der bewährte SAF Selengleichrichter verwendet, der neben anderen Vorteilen eine fast unbegrenzte Lebensdauer besitzt.
Dann wurden in der Stückliste (41 Positionen) die verwendbaren Röhren aufgezählt. Außer dem Schaltplan enthielt die Bauanleitung acht Montagepläne, Hinweise für die Inbetriebnahme sowie die Beschreibung und Bedienungsanweisung. In Fettdruck wurde auffällig darauf hingewiesen, daß der gewerbsmäßige Zusammenbau des RVF-Rundfunkbaukastens verboten sei.
Die Normalausführung in Eiche oder Nußbaum matt wurde für 176 Reichsmark, die Luxusausführung in Nußbaum poliert für 189 Reichsmark angeboten. Sollten Empfangsschwierigkeiten oder Störungen irgendwelcher Art auftreten, so empfehlen wir Ihnen: Fragen Sie Ihren Rundfunkhändler um Rat und nehmen Sie seine Hilfe in Anspruch ...
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Von nun an wurde der Heinzelmann beworben
Von nun an häuften sich die Anzeigen nicht nur in den Radio- Fachzeitschriften, sondern auch in anderen Zeitungen. Angeboten wurden jetzt Tubatest, Novatest und Heinzelmann.
In Heft Nummer 10 der Funkschau wurde der neue RVF -Leistungsprüfer Tubatest L3 sehr positiv gewürdigt :
Unter den Röhrenprüfgeräten kommt neben dem ausgesprochenen Meßgerät dem Leistungsprüfer besondere Bedeutung zu, da er sich durch einfache Bedienung und unkomplizierten Aufbau auszeichnet.
Die Firma RVF, die in der Herstellung des Leistungsprüfers langjährige Erfahrung besitzt, hat neuerdings ein in schaltungstechnischer und konstruktiver Hinsicht wesentlich weiter entwickeltes Röhrenprüfgerät nach dem Leistungsprinzip herausgebracht, das wegen seiner zweckmäßigen Ausführung und einfachen Bedienung besondere Beachtung verdient.
Mittlerweile war die Produktionskurve der Heinzelmann-Rundfunkbaukästen steil angestiegen: Bis zum April 1947 über 1.000 Stück, im Mai 610, Juni 930, Juli 1.240, August 1.860, September 920, Oktober 1.955, November 1.705 und im Dezember 1.907.
In einem Jahr also mehr als 12.000 Stück, die in ihrer Ausstattung ständig weiter verbessert wurden. Deshalb gab es auch Ende 1947 eine überarbeitete, wesentlich umfangreichere Betriebsanleitung.
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Zunkunftspläne: Jetzt will er 5.000 Supergeräte bauen.
Tubatest und Novatest wurden weiter gebaut, ebenfalls in neuen, veränderten Ausführungen, dazu Lautsprecher und Schatullen, die Transformatoren- Produktion verlangsamt. In einem Fertigungsprogramm vom 14. Mai 1947 tauchte zum ersten Mal die Planung von 5.000 Supergeräten auf: der Weltklang.
Dachte Max Grundig also wie üblich in die Zukunft, als die noch immer recht undurchsichtig war ? Denn nach wie vor lebten die Deutschen mit einer papiernen Reichsmark, die der Zerreißprobe nicht mehr lange widerstehen konnte. Niemand wußte, wann die unausbleibliche Währungsreform kommen würde.
Also: Unsicherheit auf allen Gebieten. Aber Max Grundig produzierte. Je mehr er aus seinen engen Räumen auf den Markt schaffte, um so mehr Beschäftigte fingen an, sich im Hinterhof der Jakobinenstraße 24 gegenseitig auf die Füße zu treten.
Anfang Januar 1947 waren es 117 Arbeiter und Angestellte, Ende des Jahres 291. Dazu gehörten jetzt auch die späteren leitenden Mitarbeiter Hans Volland, ein Kunststoff-Fachmann, Alfred Bückig, der Verkaufsleiter, und Erich Zinngrebe, der die Finanzverwaltung aufbaute. Löhne und Gehälter in diesem Jahr: 263.749 Reichsmark. Jahresumsatz bereits 4.000.000 Reichsmark.
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Ein Konzern wird geboren
Jetzt wurde es wirklich Zeit, daß Max Grundig das schon längst angepeilte neue Fabrikations- gelände bekam. Er hatte keine Gelegenheit ausgelassen, den ehemaligen Stadt- und Rechtsrat und seit 19. März 1946 zum Oberbürgermeister avancierten Dr. Hans Bornkessel zu beknien. Mit Erfolg. Die Stadt Fürth stellte das Grundstück Kurgartenstraße 37, Ecke Dr. Mack-Straße, an der Nürnberger Stadtgrenze, zur Verfügung. Es war das Gelände der ehemaligen König-Ludwig-Quelle.
Dort hatte die Stadt Fürth vor der Jahrhundertwende versucht, einen Gesundbrunnen zu etablieren, denn aus dem Boden schoß tatsächlich eine höchst heilende Quelle. Die ersten Anfänge wurden gemacht, ein Badehaus errichtet, aber ehe aus Fürth ein Bad Fürth werden konnte, ging die löbliche Idee an der Interesselosigkeit betuchter Heilungsuchender und am schmalen Geldbeutel der Stadtverwaltung baden.
Jetzt, ein halbes Jahrhundert später, kaufte Max Grundig das Land und fing sofort zu bauen an. Heute steht dort, u. a., die Grundig-Hauptverwaltung. Am Montag, 3. März 1947, wurde der erste Spatenstich bescheiden gefeiert, an einem zwar kalten, aber heiteren und sonnigen Tag. Nachts hatte es noch 12 Grad minus gehabt, um mittags auf 12 Grad plus anzusteigen. Die wenigen Gäste, die morgens zur Kurgartenstraße kamen, mußten langsam fahren, falls sie überhaupt ein Fahrzeug hatten. Die Straßen waren vereist.
Es war die Zeit der 99. Zuteilungsperiode der noch immer existierenden und leider von Mal zu Mal bescheidener gewordenen Lebensmittelkarte. Es gab, zum Beispiel, ganze 200g Fett in der Woche.
In Nürnberg begannen die NS-Juristenprozesse, in Leipzig wurde die Messe eröffnet, in Norddeutschland gab es Schneeverwehungen, im Fürther Alhambra wurde der Film "Damals" mit Zarah Leander gespielt und der Stadtrat zu Fürth beschloß, im ersten Halbjahr 1947 mindestens 356 Wohnungen zu bauen.
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